Multisensorische Räume

Einführung: Begriff und Herkunft: Multisensorische Stimulation bezeichnet die gezielte Anregung verschiedener Sinne, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Menschen (insbesondere Menschen mit Demenz) zu verbessern. Als ein prominentes Beispiel dienen Snoezelen- oder Snoezel-Räume: speziell gestaltete Erlebnisräume, in denen harmonisch abgestimmte Lichter, Klänge, Düfte und taktile Elemente eingesetzt werden, um Entspannung oder Aktivierung zu ermöglichen. Der Begriff „Snoezelen“ (ausgesprochen snuselen) leitet sich aus den niederländischen Wörtern snuffelen (schnüffeln) und doezelen (dösen) ab. In den 1970er Jahren wurde das Konzept in den Niederlanden entwickelt, ursprünglich von zwei niederländischen Zivildienstleistenden. Sie wollten Menschen mit Behinderung eine alternative Erlebniswelt bieten. Schnell etablierte sich 1979 in „De Hartenberg“ das erste Snoezel-Zentrum für mehrfachbehinderte Menschen. Man erkannte aber rasch, dass ähnliche Einschränkungen auch bei kognitiv beeinträchtigten Senioren vorliegen. Sowohl mehrfachbehinderte als auch demenzkranke Menschen fehlen oft vielfältige Kommunikationsfähigkeiten, weshalb beide Gruppen vom gleichen Ansatz profitieren können. Das Snoezelen-Konzept beruht darauf, die Umweltreize bewusst zu reduzieren und stattdessen einzelne Reize gezielt einzusetzen. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass Betroffene von einer Reizüberflutung überfordert werden. Stattdessen kann sich der Bewohner bewusst auf einen Sinnesreiz (z.B. Lichtspiel, Musik oder Duft) konzentrieren.

Ein wichtiges Prinzip lautet: „Nichts muss, alles darf“. Jede Person darf selbst bestimmen, welche Elemente sie nutzen möchte, ohne Zwang oder Erfolgserwartung. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, in der sich die Bewohner sicher fühlen und selbstbestimmt handeln können. Das Snoezelen-Konzept wird mit der Basalen Stimulation verglichen: Beide Ansätze beziehen alle Sinne mit ein, unterscheiden sich aber in der Schwerpunktsetzung. Während bei der Basalen Stimulation oft manuelle Reize (Berührungen, Bewegungen am Körper) im Mittelpunkt stehen, konzentriert sich Snoezelen stärker auf die Gestaltung der Umgebung (Raum-Atmosphäre, Geräte, Akustik).

International wird dieses Konzept auch “Multi-Sensory Environment (MSE)” genannt. Seit den 1990er Jahren fand das Snoezelen immer mehr Eingang in die Altenpflege. Inzwischen ist es in vielen Senioreneinrichtungen, Hospizen, Kliniken (Geriatrie, Palliativmedizin) und Therapien zu finden. Manche Heimleitungen richten dafür einen eigenen Snoezelenraum ein, andere integrieren sinnesfördernde Elemente mobil per Wagen oder in Wohnbereichen. In der Praxis wird Snoezelen meist als freies Angebot (die Teilnehmer wählen selbst aus) oder als personenzentrierte Förderung (Snoezelen-Plan) eingesetzt. Entscheidend ist dabei: Eine Snoezelen-Anwendung soll den Betroffenen auf ihrer aktuellen Ebene abholen.

 

Multisensorische Räume

 

 

Zielsetzung: Effekte für Senioren und Menschen mit Demenz

Multisensorische Räume sollen das Leben älterer Menschen bereichern und ihre verbliebenen Fähigkeiten fördern. Dabei stehen folgende Ziele und Effekte im Vordergrund:

  • Entspannung und Angstabbau: Angenehme Reize wie gedämpftes Licht, ruhige Musik oder beruhigende Düfte schaffen eine entspannende Atmosphäre. Dadurch kann Stress und Unruhe deutlich vermindert werden.

  • Stimmungsaufhellung und Wohlbefinden: Positive Sinneseindrücke steigern die Grundstimmung. Studien berichten, dass regelmäßige Snoezelen-Einheiten zu gesteigerter Lebensqualität und besserer Laune führen.

  • Aktivierung der Sinne und Aufmerksamkeit: Verschiedene Reize sprechen die verbliebenen Wahrnehmungsfähigkeiten an. Bewohner konzentrieren sich stärker, wenn sie z. B. unterschiedliche Texturen ertasten oder Lichtmuster beobachten können. Diese Stimulation kann zu erhöhter Achtsamkeit und Konzentration führen.

  • Kommunikationsförderung: Gemeinsame multisensorische Erfahrungen erleichtern den Kontakt. Viele Bewohner reagieren auf Snoezelen mit Blickkontakt, Lautäußerungen oder Gesten, was die nonverbale und verbale Kommunikation anregt. Für das Pflegepersonal entstehen dadurch oft leichter zugängliche Kommunikationssituationen.

  • Rückruf von Erinnerungen: Vertraute Reize (z. B. bekannte Musik oder familientypische Düfte wie frisch gebackenes Brot) können autobiografische Erinnerungen wecken und positive Emotionen hervorrufen. Dieses Erinnern kann insbesondere bei Demenzkranken zu Momenten der Orientierung und Freude führen.

  • Abbau herausfordernder Verhaltensweisen: Die beruhigende Umgebung hilft, Aggressionen oder Unruhe zu reduzieren. Beobachtet wurde, dass oft eine Aggressionshemmung eintritt, wenn Menschen in einem Snoezelenraum sind.

  • Anpassung an Sinneseinschränkungen: Die Reize können gezielt auf vorhandene Defizite abgestimmt werden. Tiefe Töne und Vibrationen (z.B. auf einem vibrierenden Kissen) werden auch von Schwerhörigen gespürt. Bei Sehbehinderung liegen der Fokus dann auf Klängen, Düften und fühlbaren Materialien.

  • Vertrauen durch Struktur: Regelmäßige Snoezelen-Termine im Tagesablauf geben Sicherheit. Eine solche klare Struktur kann bei Demenzkranken helfen, sich besser zu orientieren und fördert langfristig Vertrauen in die Betreuung.

  • Selbstbestimmung und Autonomie: Im Snoezelenraum wählen die Bewohner*innen selbst, welche Elemente sie nutzen möchten. Es gibt keinerlei Zwangsprogramm – die Teilnehmenden sind stets aktive Gestalter des Erlebnisses. Dieses selbstbestimmte Vorgehen stärkt das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

Diese Ziele ergänzen das Pflegekonzept um sinnliche Dimensionen. Insgesamt richten sich die Angebote direkt an die individuellen Bedürfnissen der Senioren: Verbliebene Sinneswahrnehmungen werden gefördert, emotionale Quellen genutzt (z.B. Wohlfühldüfte) und auf Kommunikation in nonverbaler Form gesetzt. Die Anwendung erfolgt individuell oder in kleinen Gruppen (1–3 Personen). Wichtig ist, dass die Sitzungen an die Biografie, den Gesundheitszustand und die Tagesform des Einzelnen angepasst werden. Manche Bewohner wirken anfangs abwartend; Geduld und Einfühlungsvermögen des Betreuungsteams sind dann gefragt.

 

Vorteile und Herausforderungen

Vorteile:

  • Reduktion von Unruhe und Aggression: Studien zeigen, dass Snoezelen häufig zu merkbarer Beruhigung führt und herausforderndes Verhalten verringert wird. Bewohner werden oft nach einer Snoezelen-Sitzung entspannter und ausgeglichener.

  • Verbesserte Lebensqualität: Angenehme Sinneserlebnisse heben die Stimmung und steigern das Wohlbefinden. Regelmäßige Angebote können insgesamt zu mehr Lebensfreude führen, indem Schmerzen gelindert und depressive Symptome gemildert werden.

  • Bessere Kommunikation: Gemeinsame sensorische Erlebnisse fördern den Kontakt. Bewohner äußern sich häufiger und nehmen positiver Kontakt zu anderen auf (spielerisch oder verbal). Für das Pflegepersonal ergeben sich so oft leichter Zugänge zu den Bewohnern.

  • Anregung verbliebener Fähigkeiten: Die Reizvielfalt kann verbliebene sensorische und motorische Fähigkeiten stimulieren. Bewohner können lernen, auf neue Reize zu reagieren, was ihren Alltag bereichert und ihre Neugier weckt.

  • Ängste und Schmerzen werden oft gelindert: Pflegekräfte berichten, dass sich Ängste spürbar verringern und teilweise sogar Schmerzen gelindert werden. Snoezelen wird deshalb manchmal in der Palliativpflege verwendet, um Wohlgefühl zu schaffen.

  • Steigerung der Teamzufriedenheit: Viele Einrichtungen berichten, dass sich durch den Einsatz von Snoezelen auch die Stimmung im Pflegepersonal verbessert. Wenn Bewohner zufriedener sind, wirkt sich das positiv auf die Arbeit der Betreuenden aus.

  • Positive Langzeiteffekte: Langjährige Anwender berichten von nachhaltigen Verbesserungen. In einer Feldstudie aus Utrecht (2004) führte 18 Monate Snoezelen-Angebot bei Heimbewohnern zu weniger aggressivem Verhalten und mehr sozialer Aktivität. Dies deutet darauf hin, dass regelmäßiger Einsatz langfristig wirken kann.



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