Trommelgruppen
Trommelgruppen bieten älteren Menschen eine aktive, gemeinschaftliche Erlebnisform. Sie fördern Bewegung, Rhythmus und soziale Interaktion. In zahlreichen Studien und Praxisprojekten wurde belegt, dass das gemeinsame Musizieren – speziell mit Trommeln und Percussion – positive Effekte auf Körper und Psyche hat. So aktivieren Trommelkreise motorische Fähigkeiten und die Koordinationg, wecken Emotionen und Erinnerungen und verbessern nachweislich das Wohlbefinden älterer Menschen. Diese Form der Gruppenmusik knüpft zudem an jahrtausendealte Rhythmustraditionen an – Trommeln und Tanz sind kulturell tief verwurzelt. In der Altenbetreuung wird damit ein bewährtes aktivierendes Medium eingesetzt, das spielerisch körperliche, kognitive und soziale Anreize verbindet.
Einführung
Trommelgruppen sind musikalische Aktivierungsangebote, bei denen Senioren gemeinsam Rhythmen erleben und musizieren. Schon mit einfachen Schlaginstrumenten (Djemben, Congas, Trommeln, Rasseln etc.) lassen sich Kopf und Körper trainieren. Praxisberichte betonen, dass selbst bei Demenzkranken das langjährig gespeicherte Langzeitgedächtnis angeregt wird. Viele ältere Menschen, die sich sonst zurückziehen, erleben im Trommeln Anreize zur Kommunikation und Bewegungsfreude. Dabei sind keine musikalischen Vorkenntnisse erforderlich: Jeder Mensch trägt einen persönlichen Rhythmus in sich und kann ohne Noten Schlagmuster erlernen. Das gemeinsame Trommeln schafft oft spontane Gemeinschaft – „die Gruppe synchronisiert sich ganz von allein“. Zusammenfassend bieten Trommelkreise einen kulturell verankerten, motivierenden Zugang zu Musik, der Körper, Geist und Gemeinschaft stärkt.
Zielsetzung
Trommelgruppen verfolgen in der Seniorenbetreuung vielfache Ziele:
Motorik & Koordination: Durch das Schlagen auf Trommeln werden grobe und feine motorische Fähigkeiten trainiert. Regelmäßiges Trommeln verbessert Hand-Auge-Koordination, Rhythmussicherheit und Muskelkraft. Es ist „ein tolles Training für Koordination, Kraft und Ausdauer“.
Rhythmusgefühl: Die Teilnehmenden entwickeln ein besseres Rhythmus- und Taktgefühl. Durch Übungen wie Klatschen im Kreis oder Trommelpatterns werden Timing und Rhythmusverständnis geschult. Gerade spielerische Rituale (z.B. Eins-zu-Eins-Trommeln im Duo) helfen, Rhythmus intuitiv zu erfassen.
Kognitive Aktivierung: Trommeln erfordert Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung. Schon wenige Minuten Trommeln steigern die Wachheit und anschließende Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmenden. Langzeitstudien zeigen, dass Musik und Rhythmus den Alterungsprozess günstig beeinflussen und Gedächtnisfunktionen stimulieren. Nachweislich verbessern sich Ausdauer- und Reaktionsleistungen älterer Menschen durch regelmäßige Trommeleinheiten.
Soziale Interaktion: In der Trommelgruppe steht das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund. Ältere Menschen kommunizieren über Rhythmus nonverbal miteinander, lernen Rücksicht und Zusammenspiel. Für viele ist es eine Gelegenheit, wieder gemeinsam aktiv zu sein. Die ungezwungene Atmosphäre ermöglicht Kontaktaufnahme, Austausch und ein Wir-Gefühl. Auch keine Scheu und Sprachekenntnisse nötig – der Spaß am Musizieren verbindet unabhängig von Alter, Herkunft oder Vorerfahrung.
Emotionaler Ausdruck und Wohlbefinden: Trommeln ist eine starke emotionale Erfahrung. Durch kraftvolle Rhythmen oder melodische Begleitungen können Gefühle kanalisiert werden. Viele Teilnehmende lächeln und zeigen Lebensfreude beim Trommeln. Studien und Erfahrungsberichte belegen, dass Trommeln Aggressionen abbaut, Spontanität und Selbstvertrauen fördert sowie sogar depressive Verstimmungen lindern kann. Insgesamt steigert das musische Erlebnis das subjektive Wohlbefinden der Gruppe.
Diese Ziele greifen oft ineinander: Während sich Hände und Arme beim Trommeln bewegen, schult sich gleichzeitig Rhythmus- und Körpersinn, werden Erinnerungen wach und soziale Bande gestärkt. Die Kombination aus körperlicher Aktivierung und emotionaler Anregung macht Trommelgruppen zu einem ganzheitlichen Förderangebot.
Vor- und Nachteile
Chancen: Die Trommelarbeit bietet zahlreiche Vorteile. Als inklusive Aktivität benötigt sie keine musikalische Vorkenntnisse – jede/r kann mitmachen, selbst mit kognitiven Einschränkungen oder Behinderungen. Verschiedene Instrumente (Drums, Rasseln, Shaker usw.) erlauben eine einfache Anpassung an individuelle Bedürfnisse. Studien zufolge bauen Trommelkreise Stress und Aggressionen ab und steigern Spontanität sowie Lebensfreude. Praktisch bedeutet dies: TeilnehmerInnen erleben sofortigen Spaß und ein Gemeinschaftsgefühl. Das Angebot lässt sich flexibel mit anderen Beschäftigungen verbinden (Gedächtnistraining, Sitztanz, Singen) – zum Beispiel fördert Trommeln das „Wachwerden“ und erleichtert danach Konzentrationsaufgaben. Zudem spricht der einfache, körperbetonte Zugang viele Menschen an, auch jene, die sich sonst zurückhalten.
Grenzen und Herausforderungen: Einige Aspekte erfordern Beachtung. Der Lärmpegel ist etwa ein Thema: Laute Trommeln können geräuschempfindliche Teilnehmende stören. In der Praxis zeigten sich zwar viele Vorbehalte („‚Ältere Menschen trommeln nicht‘, ‚das ist zu laut’“), diese erwiesen sich oft als unbegründet – dennoch ist Vorsicht geboten. Folgende Punkte sollten Betreuer beachten:
Lärm und Hörsinn: Für Menschen mit Hörbeeinträchtigung oder Lärmempfindlichkeit sind große, tiefe Trommeln oder gedämpfte Instrumente (z.B. Rahmentrommeln mit Bespannung oder leisere Shaker) oft geeigneter. Moderation und Rücksicht helfen, den Schalldruck in Grenzen zu halten.
Gruppendynamik: Ohne Führung kann es chaotisch wirken: Manche trommeln sehr kräftig, andere nur zaghaft. Hier braucht es eine erfahrene Anleitung (in der Regel durch eine Betreuungskraft oder Musikgeragogin), die mit Körpersprache und klaren Signalen das Tempo und die Lautstärke steuert.
Motivation und Beteiligung: Nicht alle Senioren springen sofort auf den Trommelzug auf. Einführende Spiele oder bekannte Melodien können motivieren. Anfangs ist mit Skepsis zu rechnen, doch oft „finden alle schnell ihren eigenen Takt“.
Physische Einschränkungen: Gelenkschmerzen oder Schlaganfall-Folgen können das Trommeln erschweren. Anpassungen (leichtere Instrumente, sitzendes Spiel, rhythmische Alternativen wie Klatschen) sind nötig.
Organisation: Es braucht etwas Aufwand, geeignete Instrumente bereitzustellen und den Raum vorzubereiten (Stuhlkreis, Akustik). Zudem muss das Personal überzeugt und geschult sein – ein häufig berichtetes Hindernis war anfangs die Unsicherheit von Leitungspersonen, dem „Lärm“ Raum zu geben. Insgesamt gilt: Trotz dieser Herausforderungen überwiegen die positiven Effekte, wenn Durchführung und Atmosphäre stimmen.
Anleitung und Umsetzung in der Praxis
Vorbereitung und Instrumentenauswahl
Für einen Trommelkreis ist die sorgfältige Vorbereitung entscheidend. Zunächst werden geeignete Instrumente besorgt und so aufbereitet, dass sie den Zielgruppen gerecht werden. Folgende Auswahl hat sich bewährt:
Djemben/Basstrommeln: Tiefe Trommeln erzeugen kraftvollen Klang und trainieren besonders die Oberkörper-Bewegung. Sie eignen sich für rüstige Senioren, da sie aufrecht auf den Boden gestellt oder auf den Schoß genommen werden können.
Rahmentrommeln und kleine Trommeln: Trommeln mit Bespannung (Daff, Tamburin) geben einen gedämpften Klang und sind leicht zu handhaben. Kleine Bongos oder Handtrommeln liegen oft gut in der Hand, so dass auch Teilnehmende mit eingeschränkter Kraft mitspielen können.
Kleinpercussion (Rasseln, Schellen, Shaker): Diese Instrumente sind ideal für alle Niveaus. Besonders Demenzkranke können unproblematisch eine Rassel schütteln oder einen Schellenkranz halten. Das rhythmische Klirren stört nicht, sondern unterstützt das Musizieren.
Klangröhren („Boomwhackers“) und Klangstäbe: Bunte Plastikröhren produzieren jeweils einen Ton und sind sicher im Gebrauch. Sie sind ergonomisch und erfordern kein Trommelfell. Mit ihnen lassen sich einfache Melodien spielen. Auch Metall-Klangstäbe oder Glocken können ruhige Passagen untermalen.
Regenstäbe oder Klanghölzer: Solche Instrumente eignen sich für leise, meditative Phasen. Der sanfte Klang eines Regenmachers erzeugt eine entspannte Atmosphäre.
Alltagsgegenstände: Oft helfen spontan gebastelte Instrumente. Kleine Eimer, mit Reiskörnern gefüllte Dosen oder Plastikbälle können Trommeln ersetzen. Schon das Klopfen mit Händen oder Drumsticks auf einen Gymnastikball ermöglicht gemeinsames Trommeln. Der Einsatz des eigenen Körpers (Beklopfen der Oberschenkel, Stampfen) ist ebenfalls wirkungsvoll.
Instrumentenverteilung: In der Regel werden Stühle kreisförmig aufgestellt, wobei ein Ein- und Ausgang offenbleibt. Auf jeden Stuhl wird ein Instrument gelegt – dabei kann man verschiedene Typen mischen. So wählt jede/r Sitzende das Instrument, das am besten passt. Ricarda Raabe beschreibt: „25 Stühle und ein- und Ausgang. Die Instrumente sind auf allen Stühlen verteilt und die Leute suchen sich ein Instrument aus…“.
Wichtig ist, genügend Varianten vorzubereiten, um auf diverse Bedürfnisse einzugehen. Schwer hörbare Teilnehmende erhalten vorwiegend tiefe Trommeln, motorisch Beeinträchtigte greifbare leichte Rasseln oder Shaker. So wird jeder/jedem eine aktive Beteiligung ermöglicht.
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